Spontanität ist toll – besonders, wenn es um Vorschläge geht, kurzfristig interessante Ziele zur Fotografie aufzusuchen. Aber man muss auch die Gelegenheit haben, ihnen zeitlich folgen zu können. Leider gibt es neben unserem fotografischen Hobby noch etliche Störfaktoren, wie zum Beispiel berufliche Arbeitszeiten oder auch vereinbarte Termine für viele normale Alltagsthemen, die schnell die aufkommende Vorfreude ausbremsen können. So musste ich Svens spontane Anfrage im Forum des ExifCafés zur kurzfristigen Teilnahme an einem fotografischen Ausflug zur Zeche Zollern in Dortmund absagen. Aber ein Telefonat am Folgetag mit einer kleinen Verschiebung des Starttermins machte mir die Teilnahme doch noch möglich.
Hintergrund des spontanen Ausflugs zur Zeche Zollern war, dass die ExifCafé-User am 11. November 2023 im Anschluss an den Besuch der World Press Photo-Ausstellung im Kulturort Depot in Dortmund noch die Zeche Zollern besucht hatten und Sven mit einem Tilt-Shift-Objektiv ein besonderes Foto in der Maschinenhalle der Zeche Zollern aufgenommen hatte, dessen Motiv er schon seit langer Zeit auf dem Zettel hatte.
Meiner Ansicht nach war das seinerzeit aufgenommene Bild der Maschinenhalle in allen Belangen sehr gut gelungen und qualitativ hochwertig: Fantastische Auflösung dank Aufnahme im Vollformat, strukturierte Darstellung der Lichter und dunklen Bildteile durch eine Belichtungsreihe, exakte Ausrichtung der Kamera für absolute Symmetrie und sorgfältige Justierung des Tilt-Shift-Objektivs, gleichmäßige Ausleuchtung des Innenraums durch diffuses Tageslicht, das durch die beidseitig großen Fenster der Maschinenhalle für schattenlose Abbildung sorgte und keine störenden Personen im Bild – aber Perfektionisten wie Sven finden immer noch kleine Details, die sich verbessern lassen. Er hatte einen (für mich geringen) Schärfeabfall an den Bildrändern festgestellt, daher sollte nun in einem erneuten fotografischen Versuch die Optimierung zur Abbildung der Maschinenhalle geprüft werden.
Für den fotografischen Zweck des Ausflugs zur Zeche Zollern war ausnahmsweise kein schönes Wetter gewünscht, sondern vielmehr bedeckter Himmel, um diffuses Tageslicht von außen, ohne Schattenbildung für die Fotografie zu nutzen. Die Wettervorhersage für Dortmund passte für Mittwoch, den 6. März 2024 – das Vorhaben konnte starten! Auf halber Strecke nach Dortmund lichtete sich jedoch der Nebel und die bis dahin graue Wolkendecke bekam immer größere Lücken, bis schließlich die Sonne am fast wolkenlosen Himmel die Regie übernahm. Diese Wetterlage zeigte sich auch noch nach einer Stunde Fahrzeit bei der Ankunft am Zeche Zollern-Gelände, was auf voraussichtlich suboptimale Lichtverhältnisse in der Maschinenhalle schließen ließ.
Nach dem Erhalt der Eintrittskarte um kurz nach 10.00 Uhr suchten wir direkt die große Maschinenhalle auf. Zu diesem morgendlichen Zeitpunkt waren nur wenige Besucher auf dem Gelände, in der Maschinenhalle waren wir die einzigen Besucher. Um die Aufnahmen bereits vor Ort qualitativ zu überprüfen, hatte Sven ein Notebook mitgenommen, das verbunden mit der Kamera jedes aufgenommene Bild in Bruchteilen einer Sekunde auf dem Computerbildschirm anzeigte und notwendige Korrekturen verdeutlichte. Der Aufbau war mit dem zweiten Stativ, auf dem das Notebook stand, etwas umfangreicher, hatte aber den Vorteil, das aufgenommene Bilder über vielfache Vergrößerungen auch an den Rändern und Ecken sofort geprüft werden konnten.
Nachdem der exakte Stativstandpunkt ermittelt war und die Einstellungen an Kamera und Objektiv vorgenommen waren, wurden die ersten Testaufnahmen gemacht. Obwohl das direkte Sonnenlicht für sichtbare Lichter und Schatten in der Maschinenhalle sorgte, waren die ersten Aufnahmen dennoch ansprechend und als sich etwas später draußen erste größere Wolken zeigten, keimte die Hoffnung auf, dass sich eine der Wolken einmal vor die Sonne schieben könnte und für kurze Zeit homogene Aufnahmen möglich wären. Es hat etwas gedauert, aber das Warten hat sich gelohnt, denn irgendwann verdunkelte eine Wolke die Sonne und die Zeitspanne der gewünschten Lichtsituation ließ eine Belichtungsreihe zu.
Als die Aufnahmen nach bestehenden Möglichkeiten und unter Anwendung des Optimums an fotografischem Aufwand und Einstellungen im Kasten waren, versprachen die Einzelergebnisse der Belichtungsreihe eine gute Basis für ein abschließendes Bildergebnis, das noch in Adobe Lightroom und Photoshop über die Auswahl und Verrechnung der Einzelbilder zu Hause erarbeitet werden musste. Nach Abbau des Equipments haben wir bei einem anschließenden Rundgang über das Zechengelände noch viele fotografisch interessante Motive gesehen, die sich in Gesamtansichten und auch Details zeigen.
Die Zeche Zollern in Dortmund, die auch als ‚Die Schönste im ganzen Land‘ bezeichnet wird, gehört zu den beeindruckendsten Zeugnissen der industriellen Vergangenheit in Deutschland. Gebaut wurde das Bergwerk in den Jahren 1898 bis 1904. Die Maschinenhalle mit dem buntverglasten Jugendstilportal gilt heute als eine Ikone der Industriekultur. Diesem Gebäude ist es zu verdanken, dass die gesamte Zechenanlage in den 1960er Jahren vor dem Abriss gerettet wurde und Industriebauten den Rang von Denkmälern erlangten. Wer möchte, kann in dieser historischen Zechenanlage einen ganzen Tag oder auch noch länger, hinauf auf das Fördergerüst steigen und hinter den prunkvollen Backsteinfassaden mit opulenten Giebeln die gefährliche Arbeitswelt der Bergleute von damals entdecken.
Ein im Eingangsbereich der Zeche ausliegendes Faltblatt zeigt mit einem Übersichtsplan die Gebäudeanlagen: Das Magazin, in dem Werkzeuge und Material gelagert wurden, die Lohnhalle, in der die Bergleute dreimal monatlich ihren Lohn erhielten, die Waschkaue, die für bis zu 2.000 Mann Belegschaft ausgelegt war und in der Arbeits- und Straßenkleidung in Körben unter die Hallendecke gezogen wurden. In der Lampenstube, in der der Lampenmeister tätig war, erhielt der Bergmann das lebensnotwendige ‚Licht der Nacht‘ für die Arbeit unter Tage. In der Schachthalle, die mit dem Fördergerüst verbunden ist, stiegen die Bergleute in den Förderkorb, gleichzeitig kamen Förderwagen mit Kohle nach oben. Im Montanium erhalten interessierte Besucher Informationen, was es bedeutet, tief unter der Erde den Kräften der Natur zu trotzen, indem über authentische Eindrücke Dunkelheit, Gerüche und Sounds vermittelt werden. Die Maschinenhalle, die in den Jahren 1902/1903 als Stahlfachwerkbau errichtet wurde, steht für den Beginn der modernen Industriearchitektur. Der erhaltene, historische Maschinenbestand ist einzigartig. In der alten Verwaltung hatten die Steiger, Betriebsführer und Direktoren ihre Büros und Kauen. In der alten Werkstatt waren zu früheren Zeiten eine Schreinerei, eine Schmiede und eine Schlosserei untergebracht.
Das buntverglaste Jugendstilportal zur Maschinenhalle ist eines der besonderen Highlights. Um jedoch die Farbenpracht der Verglasung darzustellen, muss das richtige Licht vorhanden sein, was zum Zeitpunkt unseres Besuchs leider nicht der Fall war. Dennoch haben wir Bilder davon ‚mitgenommen‘. Bei einem Blick in die Werkstatt konnten wir eine riesige, alte Dampflok, Baujahr 1940 sehen, die bei Krupp in Essen gefertigt wurde. Der Kessel war teildemontiert und der Geruch vom Ruß zurückliegender Aktivität war noch so intensiv, als wäre es gestern gewesen. Nach der Instandsetzung wird die Lok zukünftig bei Veranstaltungen auf dem Zechengelände gefahren. Allein der große ‚Schrottplatz‘, wenn ich den Bereich denn so nennen darf, ist ein Motiv-Eldorado mit ausgedienten Fördermaterialteilen und Maschinenausstattungen, die oftmals auch mit großen Ausmaßen imponieren.
Mein Lieblingsgenre ist eigentlich die Natur, mit Landschaft, Pflanzen und Tieren. Auch damit hatte ich mein kleines Erlebnis beim Erkunden der Zeche Zollern, als mich ein singendes Rotkehlchen auf einer Hecke sitzend bis auf eineinhalb Meter Distanz an sich heranließ und ich mich trotz Objektiv mit nur geringer Brennweite noch über ein tierisches Bild freuen konnte. Aber allein der Gesang des Vogels und die Nähe waren schon besonders!
Ich kenne längst nicht alle noch besuchbaren Zechen im Ruhrgebiet, aber den Titel ‚Die Schönste im ganzen Land‘ hat die Zeche Zollern bestimmt zu Recht erhalten. Der Erhaltungszustand der Gebäude und Anlagen bis ins Detail ist beeindruckend, was sich nicht nur in der Maschinenhalle zeigt.
Im ‚Pferdestall‘, dem Restaurant auf dem Zechengelände, mussten wir nicht lange auf der Speisenkarte suchen, denn mit dem ‚Ruhrpottgulasch‘, was auch unter ‚Currywurst‘ bekannt ist, hatten wir schnell das standesgemäße Gericht gefunden.
Mit optimierten Bildmaterial der Maschinenhalle und vielen besonderen Eindrücken der sehenswerten Zeche Zollern haben wir gegen 14.00 Uhr die Rückfahrt nach Bielefeld angetreten, die mit angeregter Unterhaltung und ohne staubedingte Verzögerung einen sehr gelungenen ExifCafé-Photowalk abschloss. Ich habe mich gefreut, dabei gewesen zu sein und würde auch jederzeit gerne über einen weiteren Besuch diese historische Industrieanlage noch intensiver erkunden.