In einer Zeit, in der Corona als allgegenwärtiges Thema in allen Medien, Gesprächen unseren Alltag beherrscht und auch bei Planungen und Perspektiven einbezogen werden muss, ist Ablenkung mit unserem Online Phototalk im ExifCafé besonders willkommen! Unsere zwischenzeitlich regelmäßigen Online Phototalks werden von allen Mitgliedern mit großem Interesse erwartet und durch aktive Beteiligung zu lebendigen Events.
Das trifft auch wieder für unsern Online Phototalk vom 29. März 2021 zu, bei dem zu Beginn die fotografischen Ergebnisse zur Aufgabenstellung ‚Freiraum/Freiräume‘ präsentiert wurden. ‚Stelle einen Freiraum, bzw. Freiräume oder auch die Freiheit an sich dar, die sich jeder von uns individuell nehmen kann, möchte oder darf!‘ Dazu waren alle Hilfsmittel erlaubt und auch Bearbeitungen in jeglicher Form zugelassen. Das waren die Regeln, die uns Silvia mit diesem Thema vorgeschlagen hat.
Alle Teilnehmer hatten ihre Fotos kurz vor dem Phototalk an Sven gesendet, der die Bilder in der Eingangsreihenfolge vorführte. Dazu nachfolgend einige Beschreibungen:
Heinz präsentierte uns ein aktuelles Foto vom Leuchtturm Obereversand, den er erst vor kurzem in Dorum-Neufeld fotografiert hat. Sein Foto zeigt uns den interessanten Aufbau des ehemaligen Eversand-Oberfeuers, einem vierseitigen Turm auf einer Gitterkonstruktion, mit zwei Galerien und über 37 Meter Höhe auf dem Display seiner auf dem Stativ stehenden Leica. Kamera und das Motiv des Leuchtturms knackscharf, im Hintergrund sind Bauwerk und Umfeld in weicher Unschärfe abgebildet. Um zu verdeutlichen, wie sehr Heinz die Möglichkeiten schätzt, auch entferntere Ziele aufzusuchen, um interessante Architektur und besondere Bauwerke zu fotografieren, hat er Kamera und Bauwerk über die Displayanzeige im Foto verbunden.
Dieter hat die coronabedingt abgesperrten Lese- und Arbeitsbereiche in den Fluren der Fachhochschule Bielefeld abgelichtet. Sitzbänke und Tische sind mit Flatterband kreuzweise gesperrt, so dass kein Zweifel aufkommen kann, dass diese Räume, Tische und Sitzgelegenheiten nicht genutzt werden dürfen. Zur Verstärkung des Nutzungsverbots hat Dieter sein s/w-Foto mittig mit einem farbigen Spot versehen, der dem Absperrband eine auffällige Signalwirkung verleiht. Die sonst für alle Studenten offenen ‚Freiräume‘ in Fluren und öffentlichen Bereichen der FH Bielefeld sind momentan gesperrt.
Eine weiße Tasse auf weißer Untertasse, auf der zwei appetitliche Schokobrownies liegen, dazu ein aufgeschlagenes Buch, auf dem eine Brille während einer Lesepause abgelegt ist. Diese Szene vor schwarzem Hintergrund, die mit den Motivinhalten – Gebäck, Buch/Buchseiten und Brille – farblich sehr harmonisch in Beige- und Brauntönen kombiniert sind, signalisiert den Freiraum der Entspannung mit einem guten Buch, einem belebenden Getränk und etwas Süßem zur Bereicherung des Lebens. Eine tolle Idee zum Thema ‚Freiraum‘, die von Alfred hervorragend umgesetzt wurde!
Bei Uwes Beitrag, der das Porträt eines Affen hinter einem Gitter zeigt, stehen die Augen des Tieres und sein trauriger Blick im Mittelpunkt. Ein Foto, das berührt und zu einer Diskussion führte, mit welchem Recht man Tiere aus ihrem natürlichen Lebens-Freiraum entführt und in Zoos hinter Gittern gefangen hält. Auch wenn wir Menschen meinen, dass es den Tieren im Zoo gut geht, dass sie immer ihr Futter erhalten, medizinisch versorgt werden und keine Angriffe anderer Tiere fürchten müssen – die Augen des Tieres sagen etwas anderes…
Einer der beliebtesten Freiräume sind die Teilstücke der Autobahnen, auf denen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung ‚gebrettert‘ werden darf, was Bleifuß und Motorisierung hergeben. An diese Darstellung hat sich Sven getraut. Mit seinem Fahrzeug, Kamera mit ND-Filter auf Stativ hinter den Vordersitzen aufgestellt, fixiert und eingerichtet, per Fernauslöser mit Intervallfunktion regelmäßig ausgelöst, hat Sven ein Bild aufgenommen, das seine Person als Fahrer, das Lenkrad fest im Griff, die Sicht auf und durch die Frontscheibe bis zu den Seitenspiegeln der Fahrer- und Beifahrerseite, das gesamte Cockpit mit Navi und auch die Szenerie der befahrenen Autobahn bis zu den seitlichen Lärmschutzwänden rechts und der Gegenfahrbahnen links und nach vorne bis zu einer Brückenanlage zeigt. Mit der durch den ND-Filter verlängerten Belichtungszeit hat er visualisiert, was wir alle schon selbst bei höherer Geschwindigkeit auf der Autobahn empfunden haben: Vorbeifliegende Landschaft.
Das Motiv für Silvias Freiraum-Bild hat sich ihr förmlich aufgedrängt, als sie in Bielefeld unterwegs war. Dort hatte kurzfristig zurückliegend eine ‚Fridays for Future‘-Fahrrad-Demo stattgefunden, die vor dem Bielefelder Rathaus gestartet wurde. Auf dem großen, gepflasterten Freiraum vor dem Rathaus zeigten sich noch die Markierungen als Standpunkte für die einzelnen Fahrrad-Demo-Teilnehmer, die aufgrund der Corona-Verordnungen Abstände einzuhalten hatten. Ergänzend waren auf dem Pflaster auch noch größere, stempelartige Logoabbildungen der Fridays for Future-Bewegung zu erkennen. Die teilweise im Bild sichtbare Rathaustreppe, auf der ein herrenloses Fahrrad liegt, zwei enteilende Personen, von denen nur noch die Beine am oberen Bildrand zu sehen sind und die verbliebenen Markierungen und Logos der FFF-Bewegung sind die Reste eines zeitlich begrenzten Protestes. Die Frage, ob dadurch etwas bewegt wurde, bleibt offen. Aber zumindest hilft es gegen das Vergessen.
Auch alle anderen fotografischen ‚Freiraum-Interpretationen‘ basieren auf tollen Ideen, die sehenswert umgesetzt wurden. Das Thema ‚Freiraum‘ wurde von allen Teilnehmern sehr individuell aufgenommen, bei denen auch Emotionen durchaus sichtbar werden. Silvia, du hast uns erneut ein sehr interessantes Aufgabenthema gestellt und es ist immer wieder anerkennend gemeint, wenn wir dich als unser ‚Kreativmonster‘ bezeichnen!
Über ein von Silvia in unser Forum eingestelltes Foto mit einem Frühlingsmotiv, gab es eine Anregung zur Beteiligung an einem Fotowettbewerb mit dem Titel ‚Frühlingserwachen‘. Und nachdem Dieter sehenswerte Fotos von turtelnden Ringeltauben gelungen sind, werden sich wohl einige ExifCafé-Mitglieder am Fotowettbewerb beteiligen. Ich hatte zu diesem Thema einige Aufnahmen herausgesucht und wollte die Meinung unserer Mitglieder erfragen, welches davon wohl das ansprechendste Bild wäre. Dabei gab es zwei Favoriten, die mir meine Entscheidung zur Einreichung beim Wettbewerb wesentlich leichter machen.
Natürlich werden bei einer Bildbesprechung auch die kritischen Inhalte genannt. Und dabei ist der Fotograf selbst oft der intensivste Kritiker. Selbstkritik war bei unserem Phototalk ein intensives Thema. Die eigenen Ansprüche sind ein wesentlicher Maßstab, aber auch die Wahrnehmung subjektiver Betrachtung anderer, weil jeder ein Bild anders sieht. Motivinhalt, Gestaltung, technische Ausführung, Farbe oder s/w sind Beurteilungskriterien, wobei letztlich auch die emotionale Stimmungslage des Betrachters mitwirken kann.
Erweitert wurde unsere Bildbesprechung über eine spontan ausgewählte Portraitaufnahme, bei der gravierende Details zu keinem guten Ergebnis geführt haben. Licht ist die Grundvoraussetzung, aber wie Licht eingesetzt wird, entscheidet über Qualität und Aussage des Ergebnisses. Kreative Hilfsmittel zur (Mit-)Gestaltung des Bildes sollten bedachtsam und keinesfalls störend der abzulichtenden Person zugeordnet werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt bei der Lichtsetzung den entstehenden Schatten im Gesicht, wobei die Nase oft das Hauptproblem darstellt. Hautfalten am Hals oder im Schulter/Achselbereich, die auch kleidungsbedingt auftreten, können über eine leicht veränderte Position korrigiert oder vermindert werden. Die Augen des Portraitierten sind wesentlicher Inhalt eines Portraits, störende Lichtreflexe in einer Brille sind völlig fehl am Platz. Aber auch hier wie immer: Entscheidend ist, was man möchte – aber wer möchte schon von sich ein ’nicht schönes‘ Portrait?
Über Besuche von Ausstellungen zu unterschiedlichen Themenbereichen haben wir in der Vergangenheit viele Referenzen zu interessanter Bildgestaltung und gelungenen Portraits gesehen und auch besprochen. Über die Ausstellungen ‚Hollywood Icons‘ und Martin Schoellers ‚Survivors‘ haben wir lange diskutiert. Martin Schoellers gnadenloser Aufnahmeprozess, die Portraits aus immer der gleichen, frontalen Position, gleiche Frontbeleuchtung und exakt gleicher Abstand zum Portraitierten, findet nicht unbedingt meine Zustimmung. Diese Art der Fotografie empfinde ich als eine Art der ‚Registrierung‘, die bei mir im Zusammenhang der Portraitierten als Überlebende des Holocaust Unbehagen auslöst.
Die Möglichkeiten, irgendwann einmal eine eigene Ausstellung auszurichten, sind praktisch und theoretisch vorhanden. Mit einer ausreichenden Vorbereitung wäre die Umsetzung nach terminlicher Absprache möglich. Eine ansprechende, gute Location stände zur Verfügung, deren Träger bei Werbemaßnahmen über vorhandene Kontakte zur Presse auch unterstützen würde. Zur Ausstattung sind ansehnliche Plakat-Stellwände in ausreichender Anzahl vorhanden, aber da würde ich schon heute darauf wetten, dass unsere eigenen Ansprüche doch darüber hinaus gingen.
Weitere Themen, quer durch die fotografische Landschaft waren:
- Das zeitlich begrenzte Angebot von Adobe für Lightroom und Photoshop sowie DxO NIK Collektion, bei dem nicht nur neue Abonnenten, sondern auch diejenigen, die das Abo bereits gebucht haben, tatsächlich richtig sparen konnten.
- Ein kurzer Überblick zum Thema ‚Heimat‘, einem Projekt, dem sich Silvia und ich angeschlossen haben, um mehr Kenntnisse zur Umsetzung der konzeptionellen Fotografie durch Anleitung der Initiatoren und umfangreichen Austausch mit vielen anderen Teilnehmer/innen zu erhalten.
- Tipps und Tricks, wie man zum Beispiel den Dampf über der Tasse Kaffee erzeugt und fotografiert.
- Erstellung einer Präsentation von Fotozusammenstellungen mit musikalischem Hintergrund über iMovie.
- Digitalisierung von Dias und Negativen – Möglichkeiten und Kostenvergleiche.
- Ausflugsmöglichkeiten aktuell in unserer Region – zum Beispiel die großflächige Leberblümchen-Blüte in Amshausen.
- Ausflugsziel Hamburg – wenn wir dann irgendwann wieder dürfen: Waltershofer Hafen mit Blick auf die ‚dicken Pötte‘, der Weiterbau Bahnhof Hamburg Elbbrücken, der aktuell noch die Endstation ist, das Wrack der ‚Uwe‘ und der richtige Zeitpunkt zur Fotografie bei unterschiedlichen Pegelständen, das Berliner Tor als bedeutender Verkehrsknotenpunkt.
Vom Inhalt her hatte dieser Online Phototalk mit interessanten, vertiefenden Diskussionen wieder einmal eine neue Facette. Nicht zu fassen, wie schnell die Zeit vergeht, wenn es interessant ist und Spaß macht: Beginn des Online Phototalks am 29. März um 19.00 Uhr, Abschluss am 30. März – besser ohne Uhrzeitnennung!
Auch die Technik hat visuell und akustisch wieder ohne Probleme mitgespielt und unseren Online Phototalk durch die erneut vollzählige, interessierte und aktive Beteiligung aller ExifCafé Mitglieder zu einem Event werden lassen. War einfach nur gut!